Leistungszeitpunkt von Mehrbedarf bei Schwerbehinderung

Deutscher Bundestag
Petitionsausschuss
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Eingabe der SVK-Köln Innenstadt vom 20. Dez. 2019, Schreiben vom 29. Jan. 2020
Pet 3-19-11-2171-028397, Ihr Schreiben vom 29. April 202,
Hier: Hilfe für Menschen mit Behinderung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wir bedanken uns für Ihr Schreiben vom 29.April 2020 mit dem Sie auf unsere Petition vom 29. Jan. 2020 eingehen.

Die Seniorenvertretung Bezirk Innenstadt beantragt hiermit, dass die Petition dem gesamten Ausschuss zur Entscheidung vorzulegen und damit der politische Wille der an dem Entscheidungsprozess beteiligten Abgeordneten dokumentiert wird.

Begründung

Die Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 8. April 2020 AZ: VB 1-45-Pasch/20 ist als verwaltungsrechtliche Antwort auf unser Anliegen auf den ersten Blick einleuchtend.

Leider wird sie jedoch dem von uns vertretenen Anliegen in keiner Weise, da es sich in unserer Petition nicht um den „Selbstzweck von Gesetzen und um deren Auslegung handelt“, sondern um „Menschen“.

Das Ministerium hat umfassend die derzeitigen die gesetzlichen Voraussetzungen dargestellt. Es fällt aber schwer, für uns als Seniorenvertretung der Stadt Köln Innenstadt, die tagtäglich mit Personen höheren Alters Kontakt haben, diese Ausführungen zu akzeptieren.

Das Ministerium hat in einer umfassenden rechtstheoretischen Abhandlung zur geltenden Rechtslage Stellung bezogen, sich jedoch an so gut wie an keiner Stelle, die objektiven Belange der älteren Menschen mit Behinderung gewürdigt.

Es weist zwar immer wieder auf die Möglichkeit hin, dass Anspruchsteller zu Fuß oder mit dem Fahrrad die nötigen Entfernungen zurücklegen können, um die erforderlichen Gänge zu den Ämtern zu erledigen. Dass es sich bei diesem Personenkreis Menschen handelt, die über Schwerbehinderungen mit den Merkzeichen oder sogar aG handelt, wird an keiner Stelle gewürdigt. Zur Klarstellung: diese Menschen sind zum Teil schwer gehbehindert oder durch andere Erkrankungen so belastet, dass der Besuch eines Amtes gem. den Vorstellungen des Ministeriums nicht zumutbar ist.

Wir sind der Auffassung, dass die Benachteiligung von Behinderten nicht nur sozialhilferechtlich begründet werden sollte. Leider hat das Ministerium sich nicht im Detail mit der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auseinandergesetzt, es wäre dann leicht zu anderen Schlussfolgerungen gekommen.

Ein steuerpflichtiger Rentner/Pensionär kann Steuervorteile für ein volles Kalenderjahr geltend machen, wenn er seine Behinderung z.B. Dezember zuerkannt bekommt. Dies gilt selbst dann, wenn der Ausweis 2 Jahre später ausgehändigt wird.

Ein Grundsicherungsempfänger mit dem Merkzeichen G und aG kann den ihm gesetzlich zustehenden Ersatz des Mehrbedarfs erst mit der Ausstellung des Ausweises beanspruchen. Verlangt man von ihm, dass er für zum Nachweis jedes einzelnen Zusatzbedarfs beim zuständigen Sozialamt vorstellig wird? Oder geht das Ministerium der Einfachheit halber davon aus, dass er schon bei Nachbarn oder anderen Personen Hilfe bekommt, die ihn bei der Einforderung seines ihm gesetzlich zustehenden Antrags unterstützen. Eine Taxifahrt zwischen Wohnung und Sozialamt kann er sich mit einer geringen Grundsicherung sich wohl kaum leisten.

Das Ministerium hat leider auch nicht berücksichtigt, dass das Bundessozialgericht in der Erläuterung eines seiner Urteile davon ausgeht, dass es nur einige Wochen dauert, bis über die Angelegenheit entschieden ist. Dies ist aber sehr oft nicht der Fall, wie wir aus der tagtäglichen Arbeit wissen. In der Stadt Köln machen wir die Erfahrung, dass zwischen Antragstellung und Entscheidung teilweise 6 bis 12 Monate vergehen. Wir erhalten dazu die Information der Verwaltung, dass man personell nicht ausreichend ausgestattet ist, um die von den Gerichten geforderten kurzen Entscheidungszeiten umzusetzen.

Es geht in unserer Petition nicht darum grundsicherungsberechtigten Behinderten Zusatzeinkünfte zu verschaffen, sondern lediglich darum, den gesetzlich verbrieften Anspruch auf Zusatzleistungen unbürokratisch und schnell umgesetzt zu bekommen und eine Gleichstellung zwischen dieser Personengruppe und den vorstehend dargestellten steuerzahlenden Rentnern und Pensionären herzustellen.

Gerade auch die jetzige Krise um „Corona“ zeigt einmal mehr auf, dass das Ministerium mit seiner rechtstheoretischen Auffassung die Realität „des konkreten Lebens eines grundsicherungsberechtigten Behinderten“ ausklammert. Als potentieller Angehöriger einer Risikogruppe wird ihm dringend empfohlen in seiner Wohnung zu bleiben und öffentliche Räume weitgehend zu meiden. Wie, so fragen wir Sie, soll er sich vor dem Hintergrund des Schreibens des Ministeriums verhalten?

Absolut unverständlich ist uns das Argument, dass man ja schließlich vom Mehrbedarf einen zu hohen Betrag erhielte nach Ausgabe des Ausweises, wenn dieser vom Zeitpunkt der Antragstelle aus berechnete und nicht zum Zeitpunkt der Ausweiszustellung erfolgen würde. Diese Summe sei dann zu groß für den Berechtigten. Unabhängig davon, dass es im Benehmen der Verwaltung liegt den Zeitpunkt zwischen Antragstellung und Entscheidung zu verkürzen (siehe entsprechende Urteile des Bundessozialgerichts), handelt es sich hier je Einzelfall um sehr überschaubare Geldbeträge. Besonders schwerwiegend erscheint uns jedoch, dass den Antragsberichtigten ein Recht auf Zahlung des Mehrbedarfs verweigert wird, den ihnen ab Zeitpunkt der Beantragung (also der Entstehung) zusteht. Dieses kann nicht akzeptiert werden.

Genau deshalb haben wir beantragt, dass der Mehrbedarf ab Antragstellung und Feststellung der Schwerbehinderung bereits festgesetzt wird und nicht bei Aushändigung des Schwerbehindertenausweises.

Wir beantragen daher die Befassung unserer Petition im Rahmen einer Entscheidung des Ausschusses und danken Ihnen bereits im Voraus für Ihr Verständnis und Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen

SVK Köln – Innenstadt

Karl-Heinz Pasch  (Sprecher)
RA Hans-Anto Meurers (stellv. Sprecher)
Maria Flöge-Becker
Karin Will